Montag, 27. Oktober 2014

Naturburschen

Natural Wine, Raw Wine, Vin Naturel, Natur Wein...viele neue Namen für eine doch recht alte Bewegung. Klingt erstmal nach Birkenstock tragenden, langhaarigen Hippi Winzern. Die gibt's bestimmt, doch viele der besten "Natur Weinen" kommen von Weingütern mit modernster Austattung und Marketing, denen Biologisch oder Biodynamisch manchmal nicht weit genug geht oder die einfach experimentierfreudig sind. Natural Wines sind nicht zwingend maischevergorene Orange Wines oder Amphoren Zeugs. Meist wird auf ein Gros der Kellertechnick, wie temperaturgesteuerte Gärführung oder ähnliches verzichtet. Spontanvergärung und die Verbannung von Chemie aus Keller und Weinberg ist natürlich Pflicht und filtriert wird selten. Old School eben.  



Ein tolles Beispiel aus Deutschland ist das pfälzer Weingut Odinstal. Hier entstehen nach biodynamischer Herangehensweise, meiner Meinung nach, einige der besten Terroir Rieslinge Deutschlands. Doch Kellermeister Schumann experimentiert auch mit einer Rebsorte, die eher ungewöhnlich ist für die Pfalz, nämlich Silvaner. Diese wächst in einem Versuchsweinberg in "Stufe 1", dass bedeutet in diesem Fall, dass die Reben seid Anfang 2008 nicht mehr beschnitten wurden. Die Fruchtruten wachsen also kreuz und quer zu meterlangen Lianen und die Trauben verteilen sich über die gesammte Laubwand. An ihnen wachsen sehr kleine und lockerbeerige Trauben. Das führt natürlich zu einem extrem hohem Ernteaufwand von über 200 Stunden pro Hektar. Da müsste man eigentlich mit einer Machete rein... Die Trauben werden dann ca. 12 Stunden auf der Maische stehen gelassen um dann nach der Gärung unfiltriert und ungeschwefelt abgefüllt zu werden. Der 2013er Silvaner "Natur" fließt leutchtend gelb-grün und trüb ins Glas. In der Nase erst nach Apfel und Quitte, dazu eine erdige Noten. Mit etwas Luft und Temperatur kommen dann zitrische Aromen von Grapefruit und Pomelo hinzu. Am Gaumen leichtfüßig mit mittlerer Säure und süffigen 11,5 %. Trinkt sich weniger "freaky" als er aussieht. Im Abgang angenehm würzig und Yuzu-mäßig. Steinstark !



Der zweite Wein kommt aus einem Mekka des Vin Naturel, der Süd-West Küste Frankreichs, in diesem Fall das Rousillion. Hier im Örtchen Maury betreibt das Elsässer Winzerehepaar Wies die Domaine de la Petite Baigneuse. Der Wein trägt den Namen "Juste Ciel!" und wird aus den Rebsorten Macabeu, Grenache Blanc und Grenache Gris bereitet. Auch hier mit minimalem Schwefeleinsatz und ohne Filtration und Schönung. Der magere Schieferboden auf dem die Reben wachsen, die Spontanvergärung mit Weinbergs- bzw Kellereigenen Hefen und die ca. vier Jahre Flaschereife sorgen bei diesem außergewöhnlichen Stoff für ein Aromenbild, welches ich bisher so noch nicht mal ansatzweise im Glas hatte. Pilz in allen positiven Fasetten. Fleischig, süßlich nach Dry Age Beef und Edelschimmel Salami. Dazu süßer Gorgonzola und Champignon, aber auch Zitrone und gelbe Blüten. Am Gaumen sehr dicht mit viel Extrakt und Säure, eher saftig und garnicht pilzig wie die Nase. Für mich durch den extremen Geruch etwas anstrengend, dennoch höchst interessant. 
Für mich sind diese Naturbursche vor allem eins: Abwechslung vom oft langweiligen Mainstream. 
Cheers !






 

Mittwoch, 15. Oktober 2014

Almacenista - Die Garagen von Jerez

Sherry ist ein extrem interessantes Thema und super vielseitig. Ich nehme mir ständig vor mehr Sherry zu trinken, aber irgendwie wird das nie so richtig was. Nur in kurzen Phasen. Aber ich bilde mir ein, dass das nicht nur an mir liegt. Sherry findet in der deutschen Gastronomie nur ganz am Rand statt. Wenn ich im Restaurant sitzte und auf der Karte einen tatsächlich interessanten Sherry finde, bestelle ich ihn so gut wie nie. Warum ? Weil die beiden 70 jährigem Opas und ich wahrscheinlich die einzigen in den letzten Wochen oder sogar Monaten wären, die aus der 0,75l Flasche Fino ein Gläschen ordern. Frisch ist anders...Und selbst die Weinfachhändler, wenn sie nicht grad auf Spanien spezialisiert, sind oft sehr unbefriedigend ausgestattet. Im Ruhrpott sowieso...

Um so mehr feiere ich dann eine schöne Flasche Fino, Manzanilla, Oloroso oder was auch immer, die ich mir zu Hause mit ein paar spanischen, salzigen Schweinereien genehmige. Heute sogar eine echte Besonderheit: Einen Almacenista. Das ist kein Sherry Stil sondern beschreibt eher eine alte Tradition. In den drei Städten in denen alle Sherry Lodges ihren Sitz haben, also Jerez de la Frontera, El Puerto de Santa Maria und Sanlucar de Barrameda gibt es einige kleine private Produzenten, die ihren Wein an Privatleute oder Gastronomien verkaufen oder einfach hobby-mäßig für den Eigenkonsum Sherry produzieren. Manchmal werden große Sherry-Brands auf besonders gute Partien aufmerksam und kaufen den Almacenistas (span. für Lagerhalter) einzelne Fässer ab und vermarkten sie unter ihrem Namen. Dabei muss auf dem Etikett die Bezeichnung Almacenista, sowie dessen Name und die Größe der Solera, stehn aus der der Wein kommt. Je kleiner die Zahl ist, je seltener und damit teurer ist er. 



Der Almacenista Sherry den ich im Glas habe wurde vom Sherryhaus Lustau gekauft und stammt von José Luis Gonzales Obregon aus El Puerto de Santa Maria. Vom Stil her, ist es ein klassischer Fino, das heißt Staub trocken und ohne oxidativen Einfluss, da der Wein von der Florhefeschicht vor Sauerstoff geschützt wird. Dieser Wein aus der Palomino Traube stammt aus einer 143 Fässer starken Solera. 

Die lange Zeit unterm Hefeflor und das typische Andalusische Klima verleiht diesem Wein ein so komplexes Bukett, das ich kaum aufhören kann mir Notizen zu machen: Zuerst Haselnuss, Grüne Walnuss, Rauch und geröstete Grüne Paprika, dann Salzkaramell, Estragon, Bergamotte und sogar etwas Curry. Am Gaumen mit irrem Spiel aus Säure und Schmelz, alles federleicht. Dazu Noten von Nougat, unreifen Feigen und weißem Pfirsich. Gleichzeitig salzig und herzhaft. Mit passendem Essen entwickelt sich auch ein enormer Trinkfluss, der die 15 % Alkohol nahezu vergessen lässt... Absolutes Sherry Highlight!

Alk: 15 %
Preis: 17,50 € (0,5 l)
Punkte: 93/100

Samstag, 11. Oktober 2014

Uncorked: 1993er Chateau Montrose

Zurück aus Hamburg vom Sommelier Lehrgang. In den letzten zwei Monaten so intensiv und so viele Weine eine verkostet wie nie zu vor... aber auch so wenig geschrieben wie nie zuvor. Sorry dafür, war einfach zu beschäftigt. Ich gelobe Besserung. 

Am Mittwoch, beim vinophilen Wiedersehen mit den Jungs, holt ein Freund einen Wein aus seinem Keller, der es auf jeden Fall wert ist, ein paar Worte darüber zu verlieren. Einen Klassiker aus dem Medoc, ein besonder Wein aus einem eher kleinen Jahr: Chateau Montrose 1993.

Das mondäne Chateau Montrose liegt auf einem Hügel direkt am linken Ufer der Gironde in der Appelation Saint Estephe, keine 70 km Bordeaux entfernt. Bis zum Jahr 2006 war das als deuxiemes Cru klassifizierte Weingut 110 Jahre lang im Besitz der Familie Charmoluë, bis es von zwei Unternehmer-Brüdern Namens Olivier und Martin Bouygoues erworben wurde. Seid dem passiert viel auf Chateau Montrose, Haus und Keller werden stetig erweitert und modernisiert und kürzlich konnten die 65 Hektar auf über 90 erweitert werden, in dem man dem Nachbarn Phelan Segur einige Hektar abkaufen konnte. Man munkelt für ein knappe Millionen Euro pro Hektar. Vorteil für Montrose: Von diesen neuen Flächen darf auch der Grand Cru Classé Wein erzeugt werden. 



Am Stil des Hauses wollen die Brüder Bouygoues nichts ändern sagen sie. So steht Montrose seid je her für einen etwas roughen, kanntigen Stil. Grade die jungen Weine werden oft nicht so euphorisch bewertet wie die der Konkurrenz. Doch nach 10-15 Jahren Flaschereife sieht das dann oft ganz anders aus. Montrose steht für Langlebigkeit und für Konstants, auch in schwächeren Jahren. 

1993 war so ein Jahr. Mehltau und Botritis machte den Winzern zu schaffen. Dazu viel Regen in der Erntezeit. Doch mit guter Weinbergspflege und strenger Selektion holte man auf Chateau Montrose reifes und gesundes Lesegut in den Keller. Der Kellermeister verschnitt in diesem Jahr 71% Cabernet Sauvignon mit 29% Merlot. 

Heute, über 20 Jahre später präsentiert sich der Wein auf der Spitze seines Genusses. Ziegelrot am Rand mit Rubin farbenem Kern. In der Nase unglaublich komplex nach Cassis, Kakao, Lagerfeuer, Pflaume und Leder. Keine Spur von grüner Paprika oder ähnlichem. Am Gaumen rund und harmonisch, mit immer noch fruchtigem Inneren. Die Tannine sind sehr fein und weich. Fast zu weich. Die Säure präsent. Im Abgang kommen Gewürze dazu wie Nelke und Piement. Sehr langer Nachhall. Dazu das Fett der Trüffelsalami, mit der wir den Wein begleiten... mehr geht kaum !

Alk: 12,5 %
Preis: um 70 €
Punkte: 90/100