Dienstag, 4. November 2014

Mikkeller - Dänische Bier Geeks

Es ist so weit, das erste mal Bier im Wineblog. Musste ja irgendwann passieren. Aber auch nicht verwunderlich. Erstens fließt ja als Dortmunder Junge von Haus aus eh eher Bier als Wein durch meine Adern und zweitens begeistert mich das Thema Craft Beer seid meiner Zeit in Hamburg extrem. Doch was heißt das überhaupt...Craft Beer ? Auch wenn in Europa seid Jahrhunderten Bier von Weltruf gebraut wird, kommt der Begriff doch eher aus den vereinigten Staaten. Als Alternative zu dem gebrauten Einheitsbrei der riesigen Brauereien (auch in Deutschland ein großes Problem), entstanden so genannte Microbreweries. Kleine Garagen Brauereien die für den Eigengebrauch oder für die Nachbarschaft charaktervolle Biere im kleinen Stil brauten. Die Community wuchs schnell und fand weltweit Fans und Nachahmer. So wurden auch in Europa alte Hopfensorten, längst vergessene Bierstile und Brautechniken wiederentdeckt und weiterentwickelt. Dabei geht es vor allem um Innovation und höchste Qualitätsansprüche bei der Wahl der Zutaten. Auf das Reinheitsgebot wird weitergehenden geschissen. Neben Wasser, Hefe, Malz und Hopfen werden auch andere Zutaten verwendet um den Geschmack des Bieres zu beeinflussen. Auch in Sachen Design und Marketing sind die Craft Bier Brauer enorm kreativ.

Nachdem ich mich die letzten Monate viel mit dem Thema auseinandergesetzt und viel probiert habe, stieß ich bei den spannendsten und abgedrehtesten Sachen immer auf einen Namen: Mikkeller. Ein Mathelehrer Namens Mikkel Borg Bjergsø und sein Kumpel Kristian Keller brauten 2005 ihr erstes Bier in Mikkels Küche in Kopenhagen für ihren Bierstammstisch und waren schnell Feuer und Flamme. Die Biere fanden Reisenden Absatz bei den lokalen Bier Nerds und die Küche wurde schnell zu klein. Also suchten und fanden die Beiden eine Brauerei in Dänemark, wo sie ihr Øl brauen durften. Mit verrückten Kreationen und eigenem schrillen Flaschendesign für jedes der zig verschieden Biere erregten sie international Aufmerksamkeit. Den Durchbruch brachte das Stout Bier "Beer Geek Breakfast" welches mit Kaffee und Haferflocken gebraut wird und bei dem führenden Bier Portal Ratebeer.com 100/100 erreichte. Mikkel ist mitlerweile alleine unterwegs und hat bis heute keine eigene Brauerei. Er zieht von Brauerei zu Brauerei auf der ganzen Welt, aber vor allem in Belgien, um dort seine Kreationen zu brauen. Dabei ist er sehr produktiv. Es gibt zwar selten große Mengen von einem Projekt, doch sind über die letzten Jahre sicher an die hundert verschiedene Biere entstanden. Ziel ist es Biere zu brauen die Menschen bewegen und die als Essensbegleiter, auch in der gehobenen Gastronomie, eine echte Alternative zu Wein sein können. So hat Mikkel auch schon ein exklusives Bier für das mehrmals in Folge zum besten Restaurant der Welt gekürten Noma in Kopenhagen, kreiert. Und das als Autodidakt, denn Mikkel hat nie eine Lehre zum Braumeister gemacht...



Im Glas habe ich grade ein saisonales Pale Ale vom Herbst/Winter 2013 namens K:rlek. Gebraut würde es in Belgien mit den Hopfensorten Citra, Chinook, Amarillo und Simcoe, außerdem wurde Etwas Ananas mitvergoren. Die Farbe ist ein leuchtendes Gelb-Orange mit fester Schaumkrone. In der Nase nach Mango, Minze, Aprikose und klar, nach Ananas. Am Gaumen wirkt es trocken, zitrusfruchtig und ordentlich bitter. Hat sehr guten Zug und dezente Säure. Das Etikett, wie fast immer bei Mikkeller, ein Kunstwerk.



Auch verkostet habe ich den Geburtshelfer des Mikkeller Erfolgs, das Beer Geek Breakfast. Dieses Stout Bier fließt dunkelbraun und fast ölig ins Glas. Der Schaum ist fest, feinporig und cremefarben. Das Gebräu duftet intensiv nach frisch gemahlenem Kaffee, Bitterschokolade, Müsli, Ronsinen und dunklem Karamell. Am Gaumen super dick und cremig wie ein Mokka. Macht genauso satt wie eine Schüssel Haferbrei, doch die Macht nicht so betrunken. Alles in alle ein sehr komplexes und spannendes Stout.



Eins meiner persönlichen Mikkeller Highlights war das Sort Gul, was soviel heißt wie schwarz gelb. Ein Belgian Black Pale Ale das es in sich hat ! Von der Farbe her sehr dunkles braun fast schwarz, mit roten Reflexen. In der Nase nach Lebkuchen, Vollmilchschokalde, Birne, kandierter Orange und Caro Kaffee. Am Gaumen dann unerwartet spritzig, obwohl die Textur eher an Sahne erinnert. Trocknet den Mund aus und bleibt lange haften, mit Noten von dunklen Beeren und Gewürzen. Einfach ein Wahnsinns Bier. Nach längerer seit im Glas wird es deutlich harmonischer und noch dichter in seiner Aromatik. Man bedenke, dass bei diesem Ale nichts zugesetzt wurde, das Aroma stammt einzig aus Malz, Hopfen und Hefe...



Ich werde das Thema Craft Beer definitiv weiter verfolgen und habe noch einige Mikkeller Biere auf Halde... Das Paket aus Dänemark ist frisch eingetroffen !

Cheers 

K:rlek Efteråa/Vinter 2013, Pale Ale, Mikkeller, 5,9% Alk, 88/100
Beer Geek Breakfast, Stout, Mikkeller, 7,5 % Alk, 92/100
Sort Gul, Belgian Black Pale Ale, Mikkeller, 7,3 %, 96/100

Montag, 27. Oktober 2014

Naturburschen

Natural Wine, Raw Wine, Vin Naturel, Natur Wein...viele neue Namen für eine doch recht alte Bewegung. Klingt erstmal nach Birkenstock tragenden, langhaarigen Hippi Winzern. Die gibt's bestimmt, doch viele der besten "Natur Weinen" kommen von Weingütern mit modernster Austattung und Marketing, denen Biologisch oder Biodynamisch manchmal nicht weit genug geht oder die einfach experimentierfreudig sind. Natural Wines sind nicht zwingend maischevergorene Orange Wines oder Amphoren Zeugs. Meist wird auf ein Gros der Kellertechnick, wie temperaturgesteuerte Gärführung oder ähnliches verzichtet. Spontanvergärung und die Verbannung von Chemie aus Keller und Weinberg ist natürlich Pflicht und filtriert wird selten. Old School eben.  



Ein tolles Beispiel aus Deutschland ist das pfälzer Weingut Odinstal. Hier entstehen nach biodynamischer Herangehensweise, meiner Meinung nach, einige der besten Terroir Rieslinge Deutschlands. Doch Kellermeister Schumann experimentiert auch mit einer Rebsorte, die eher ungewöhnlich ist für die Pfalz, nämlich Silvaner. Diese wächst in einem Versuchsweinberg in "Stufe 1", dass bedeutet in diesem Fall, dass die Reben seid Anfang 2008 nicht mehr beschnitten wurden. Die Fruchtruten wachsen also kreuz und quer zu meterlangen Lianen und die Trauben verteilen sich über die gesammte Laubwand. An ihnen wachsen sehr kleine und lockerbeerige Trauben. Das führt natürlich zu einem extrem hohem Ernteaufwand von über 200 Stunden pro Hektar. Da müsste man eigentlich mit einer Machete rein... Die Trauben werden dann ca. 12 Stunden auf der Maische stehen gelassen um dann nach der Gärung unfiltriert und ungeschwefelt abgefüllt zu werden. Der 2013er Silvaner "Natur" fließt leutchtend gelb-grün und trüb ins Glas. In der Nase erst nach Apfel und Quitte, dazu eine erdige Noten. Mit etwas Luft und Temperatur kommen dann zitrische Aromen von Grapefruit und Pomelo hinzu. Am Gaumen leichtfüßig mit mittlerer Säure und süffigen 11,5 %. Trinkt sich weniger "freaky" als er aussieht. Im Abgang angenehm würzig und Yuzu-mäßig. Steinstark !



Der zweite Wein kommt aus einem Mekka des Vin Naturel, der Süd-West Küste Frankreichs, in diesem Fall das Rousillion. Hier im Örtchen Maury betreibt das Elsässer Winzerehepaar Wies die Domaine de la Petite Baigneuse. Der Wein trägt den Namen "Juste Ciel!" und wird aus den Rebsorten Macabeu, Grenache Blanc und Grenache Gris bereitet. Auch hier mit minimalem Schwefeleinsatz und ohne Filtration und Schönung. Der magere Schieferboden auf dem die Reben wachsen, die Spontanvergärung mit Weinbergs- bzw Kellereigenen Hefen und die ca. vier Jahre Flaschereife sorgen bei diesem außergewöhnlichen Stoff für ein Aromenbild, welches ich bisher so noch nicht mal ansatzweise im Glas hatte. Pilz in allen positiven Fasetten. Fleischig, süßlich nach Dry Age Beef und Edelschimmel Salami. Dazu süßer Gorgonzola und Champignon, aber auch Zitrone und gelbe Blüten. Am Gaumen sehr dicht mit viel Extrakt und Säure, eher saftig und garnicht pilzig wie die Nase. Für mich durch den extremen Geruch etwas anstrengend, dennoch höchst interessant. 
Für mich sind diese Naturbursche vor allem eins: Abwechslung vom oft langweiligen Mainstream. 
Cheers !






 

Mittwoch, 15. Oktober 2014

Almacenista - Die Garagen von Jerez

Sherry ist ein extrem interessantes Thema und super vielseitig. Ich nehme mir ständig vor mehr Sherry zu trinken, aber irgendwie wird das nie so richtig was. Nur in kurzen Phasen. Aber ich bilde mir ein, dass das nicht nur an mir liegt. Sherry findet in der deutschen Gastronomie nur ganz am Rand statt. Wenn ich im Restaurant sitzte und auf der Karte einen tatsächlich interessanten Sherry finde, bestelle ich ihn so gut wie nie. Warum ? Weil die beiden 70 jährigem Opas und ich wahrscheinlich die einzigen in den letzten Wochen oder sogar Monaten wären, die aus der 0,75l Flasche Fino ein Gläschen ordern. Frisch ist anders...Und selbst die Weinfachhändler, wenn sie nicht grad auf Spanien spezialisiert, sind oft sehr unbefriedigend ausgestattet. Im Ruhrpott sowieso...

Um so mehr feiere ich dann eine schöne Flasche Fino, Manzanilla, Oloroso oder was auch immer, die ich mir zu Hause mit ein paar spanischen, salzigen Schweinereien genehmige. Heute sogar eine echte Besonderheit: Einen Almacenista. Das ist kein Sherry Stil sondern beschreibt eher eine alte Tradition. In den drei Städten in denen alle Sherry Lodges ihren Sitz haben, also Jerez de la Frontera, El Puerto de Santa Maria und Sanlucar de Barrameda gibt es einige kleine private Produzenten, die ihren Wein an Privatleute oder Gastronomien verkaufen oder einfach hobby-mäßig für den Eigenkonsum Sherry produzieren. Manchmal werden große Sherry-Brands auf besonders gute Partien aufmerksam und kaufen den Almacenistas (span. für Lagerhalter) einzelne Fässer ab und vermarkten sie unter ihrem Namen. Dabei muss auf dem Etikett die Bezeichnung Almacenista, sowie dessen Name und die Größe der Solera, stehn aus der der Wein kommt. Je kleiner die Zahl ist, je seltener und damit teurer ist er. 



Der Almacenista Sherry den ich im Glas habe wurde vom Sherryhaus Lustau gekauft und stammt von José Luis Gonzales Obregon aus El Puerto de Santa Maria. Vom Stil her, ist es ein klassischer Fino, das heißt Staub trocken und ohne oxidativen Einfluss, da der Wein von der Florhefeschicht vor Sauerstoff geschützt wird. Dieser Wein aus der Palomino Traube stammt aus einer 143 Fässer starken Solera. 

Die lange Zeit unterm Hefeflor und das typische Andalusische Klima verleiht diesem Wein ein so komplexes Bukett, das ich kaum aufhören kann mir Notizen zu machen: Zuerst Haselnuss, Grüne Walnuss, Rauch und geröstete Grüne Paprika, dann Salzkaramell, Estragon, Bergamotte und sogar etwas Curry. Am Gaumen mit irrem Spiel aus Säure und Schmelz, alles federleicht. Dazu Noten von Nougat, unreifen Feigen und weißem Pfirsich. Gleichzeitig salzig und herzhaft. Mit passendem Essen entwickelt sich auch ein enormer Trinkfluss, der die 15 % Alkohol nahezu vergessen lässt... Absolutes Sherry Highlight!

Alk: 15 %
Preis: 17,50 € (0,5 l)
Punkte: 93/100

Samstag, 11. Oktober 2014

Uncorked: 1993er Chateau Montrose

Zurück aus Hamburg vom Sommelier Lehrgang. In den letzten zwei Monaten so intensiv und so viele Weine eine verkostet wie nie zu vor... aber auch so wenig geschrieben wie nie zuvor. Sorry dafür, war einfach zu beschäftigt. Ich gelobe Besserung. 

Am Mittwoch, beim vinophilen Wiedersehen mit den Jungs, holt ein Freund einen Wein aus seinem Keller, der es auf jeden Fall wert ist, ein paar Worte darüber zu verlieren. Einen Klassiker aus dem Medoc, ein besonder Wein aus einem eher kleinen Jahr: Chateau Montrose 1993.

Das mondäne Chateau Montrose liegt auf einem Hügel direkt am linken Ufer der Gironde in der Appelation Saint Estephe, keine 70 km Bordeaux entfernt. Bis zum Jahr 2006 war das als deuxiemes Cru klassifizierte Weingut 110 Jahre lang im Besitz der Familie Charmoluë, bis es von zwei Unternehmer-Brüdern Namens Olivier und Martin Bouygoues erworben wurde. Seid dem passiert viel auf Chateau Montrose, Haus und Keller werden stetig erweitert und modernisiert und kürzlich konnten die 65 Hektar auf über 90 erweitert werden, in dem man dem Nachbarn Phelan Segur einige Hektar abkaufen konnte. Man munkelt für ein knappe Millionen Euro pro Hektar. Vorteil für Montrose: Von diesen neuen Flächen darf auch der Grand Cru Classé Wein erzeugt werden. 



Am Stil des Hauses wollen die Brüder Bouygoues nichts ändern sagen sie. So steht Montrose seid je her für einen etwas roughen, kanntigen Stil. Grade die jungen Weine werden oft nicht so euphorisch bewertet wie die der Konkurrenz. Doch nach 10-15 Jahren Flaschereife sieht das dann oft ganz anders aus. Montrose steht für Langlebigkeit und für Konstants, auch in schwächeren Jahren. 

1993 war so ein Jahr. Mehltau und Botritis machte den Winzern zu schaffen. Dazu viel Regen in der Erntezeit. Doch mit guter Weinbergspflege und strenger Selektion holte man auf Chateau Montrose reifes und gesundes Lesegut in den Keller. Der Kellermeister verschnitt in diesem Jahr 71% Cabernet Sauvignon mit 29% Merlot. 

Heute, über 20 Jahre später präsentiert sich der Wein auf der Spitze seines Genusses. Ziegelrot am Rand mit Rubin farbenem Kern. In der Nase unglaublich komplex nach Cassis, Kakao, Lagerfeuer, Pflaume und Leder. Keine Spur von grüner Paprika oder ähnlichem. Am Gaumen rund und harmonisch, mit immer noch fruchtigem Inneren. Die Tannine sind sehr fein und weich. Fast zu weich. Die Säure präsent. Im Abgang kommen Gewürze dazu wie Nelke und Piement. Sehr langer Nachhall. Dazu das Fett der Trüffelsalami, mit der wir den Wein begleiten... mehr geht kaum !

Alk: 12,5 %
Preis: um 70 €
Punkte: 90/100


Sonntag, 31. August 2014

Oldies aus Bordeaux und Burgund

Endlich finde ich mal wieder Zeit ein paar Zeilen zu schreiben. Die Dinge überschlagen sich seit einiger Zeit... Im Moment befinde ich mich in Hamburg und habe die ersten zwei Wochen des Sommelier Lehrgangs bei der Deutschen Wein und Sommelier Schule hinter mir und damit noch fünf vor mir. Manchmal denke ich je mehr ich lerne, je mehr merke ich wieviel mehr man noch lernen kann. Aber es ist so interessant, die Dozenten top und die Gruppe super, so dass es nicht schwer fällt. 
Dieses Wochenende blieb ich in der Hansestadt und fuhr nicht zurück in den Pott. Denn bei meiner Tante, die mich glücklicherweise für die sieben Wochen bei sich wohnen lässt, stand ein Geburtstag an. Daher wurde ich als angehende Fachkraft in den Keller geschickt um ein paar alte Flaschen zur Feier des Tages nach oben zu holen. Ich entschied mich für je einen gereiften Vertreter aus Bordeaux und Burgund...

Zuerst musste der Bordeaux dran glauben. Ein 1979er Leoville las Cases. Das Chateau liegt am linken Ufer der Gironde, genauer in der Appelation St. Julien und wurde 1866 als 2. Grand Cru Classé eingestuft und gilt als eines der besten Häuser im Bordelaise. Das Wahrzeichen des Weingutes ist der liegende Löwe auf dem Torbogen, welcher der Eingang zum Clos Leoville las Cases ist. Ein, für  Bordeaux eher unüblich, ummauertes Weinfeld, welches sich im Alleinbesitz des Châteaux befindet. 



Der 79er ist eine klassische, Cabernet Sauvignon (70%) basierte Medoc Cuveé, den Rest bilden Merlot und ein wenig Cabernet Franc und Petit Verdot. Der Korken des Oldies war in sehr gutem Zustand und lies sich gut ziehen. Der Wein zeigte im Glas ein noch recht sattes Granatrot und keinerlei Brauntöne. Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie langsam ein Bordeaux dieser Qualität altert. In der Nase schwarze Johannisbeere, weiches Leder, Vanille und Zigarrenkiste. Am Gaumen merkt man ihm seine Ü30 nicht an. Immer noch Biss: Sehr feines, etwas staubiges, aber deutlich spürbares Tannin, Cassis geprägter Fruchtkern und präsente Säure. Sehr komplex, wenn auch nicht mit ewigem Nachhall ausgestattet. Hat sicher noch Potential für weitere 5-10 Jahre. 



Später am Abend dann der Burgunder. Stolze 41 Jahre alt. Ehrlich gesagt räumte ich ihm nicht mehr so viel Chancen ein, obwohl der Füllstand sehr gut war. Doch ich sollte mich irren und zwar gewaltig...
1973 war im Burgund wohl ein recht gutes Jahr, vor allem an der Côte de Nuits und die Winzer der Domaine Grivelet in Chambolle-Musigny, welche heute leider nicht mehr existiert, brachten einen wahrlich großen Wein auf die Flasche. Der 73er Premier Cru besitzt im Glas noch einen Ziegelroten Kern, der aber zum Rand hin deutlich ins Braune übergeht. In der Nase erst verschlossen, zeigt er nach ein paar Minuten im großen Glas was er noch drauf hat: Weichselkirsche, feinste Bitterschokolade, Lagerfeuer, Tannengrün, Kreidestaub, Walderdbeeren, Leder, vertrocknete Rosen, unglaublich verführerisch und elegant das Ganze. Am Gaumen merkt man dann warum dieser Wein noch lebt, denn die Säure kommt einem immer noch frisch vor. Dazu Sauerkirsche und wieder Noten von dunkler Schokolade. Im Abgang mit kalkiger, erdiger Mineralität und unverschämter Länge. Ein Burgunder den man so schnell nicht vergisst...

1979 Leoville las Cases 92/100
1973 Chambolle-Musigny 1er Cru, Domaine Grivelet 95/100

Montag, 21. Juli 2014

Der richtige Wein zur Blutwurst-Pizza


Anfang letzter Woche weilte ich zwei Tage in Berlin. Nein, nicht um die deutsche Nationalmanschaft zu empfangen, das konnte ja vorher keiner Ahnen das die Weltmeister werden, sondern eigentlich nur zum Essen und Trinken. Und ich gebe es zu, vor allem um in der Cordobar zu versacken... Was soll ich sagen, der Plan ist aufgegangen.

Zur Entstehung dieser Weinbar, habe ich ja schon im vorangegangenem Bericht ein paar Worte verloren. Also direkt ans Eingemachte. Praktischer Weise nur 15 Gehminuten von unserer bescheidenen Bleibe, dem SoHo House an der Torstrasse, durch den hippen, gastronomiegeprägten Teil von Berlin Mitte, liegt der Hauptstadt angesagteste Weinbar in der Großen Hamburgerstrasse.  



Leider war Wirt Willi Schlögl krank. (Denke Porto Bocho hat ihn fertig gemacht.) Doch mit dem Österreicher Stefan Grabler gab es mehr als adäquaten Ersatz. Er stellte uns aus der monatlich wechselnden Speisekarte ein Menü zusammen, mit je zwei verschieden Gerichten pro Gang plus passender Weinbegleitung. Also nichts machen, nur kommen lassen... Ein Traum ! Eins möchte ich vorweg nehmen: Wer denkt man könnte in der Cordobar nur gut Wein trinken, der irrt sich gewaltig, denn was der Wiener Küchenchef Lukas Mraz da aus der Küche schickt ist schlicht sensationell. Produkt orientiert, sehr innovativ kombiniert und bis hart an die Grenze gewürzt. Genau mein Geschmack. Los ging es mit einer Kombination aus roher Lachsforelle, Schafsyoghurt, Kaviar und gebratenem Pfirsich. Auf dem anderen Teller Matjes mit Blumenkohlschaum, Apfel und Meerrettich. Dazu servierte Stefan einen deutschen Müller Thurgau. Ja richtige gehört, der Massenträger der 80er, oder wie Stefan sagte: "Deutschlands bekackteste Rebsorte!" Doch dieser ist anders. Der Müller aus der Lage Hasennest von Winzer Christian Stahl ist wahrscheinlich das beste was man aus dieser Rebsorte machen kann. Guter Start. Nächstes Highlight, und das sage ich als militanter Fleischesser wirklich schweren Herzens, ist das Veef Tartar. Ein Tartar aus geräuchertem Tomatenwänden mit Currysphäre als Eigelb Ersatz. Stark ! 




Nächster Gang, der Klassiker der noch jungen Bar. Die Blutwurst Pizza. Das einzige Gericht, welches immer auf der Karte ist und kurioser Weise eins, dass so gut wie garnicht passend mit Wein zu begleiten ist. Das liegt nicht etwa an der Roten Beete und dem Feta mit dem der Blutwurstboden belegt ist, sondern an viel frisch geriebenen Meerrettich und Wasabicreme. Grabler bewältigt diese Aufgabe mit Bravour und einem 2001er Silvaner, l'hermitage aus der Lage Zellberg im Elsass. Hier bewirtschaftet Winzer Patrick Meyer 9 ha biodynamisch und das schon seid 20 Jahren. Seine Vin Naturel sind extrem komplex und besitzen immer ordentlich Zug am Gaumen. So auch dieser zwei Jahre im Barrique ausgebaute Silvaner. Die Noten von Salzmamdeln, Jod und Haselnüssen erinnert an trockenen Sherry. Dazu das tiefe, erdige des Silvaners mit minimaler Frucht. Echter Freakstoff.





Weiter gehts mit Rippchen auf der einen und Lammherz auf der anderen Seite. Dazu Blaufränksich. Joschuari von Gut Oggau. Passt wie die Faust aufs Auge. Speckiges Holz, Kirsche, präsente Säure und reife Frucht, harmoniert perfekt mit dem Süß-Scharfen Aromen der Ribs. Das Lammherz ist so zart wie man es sich nur wünsche kann.



Danach erinnere ich mich nur noch an Kracher zur Sacher und an einen wirklich abgedrehten spanischen Orangewine aus Chenin Blanc mit Stefan an der Bar, der im Abgang so intensiv nach Salmiak schmeckte, dass ich es am nächsten morgen noch auf der Zunge hatte.
Am Ende kann ich nur Danke sagen, für einen unvergesslichen Abend ! Ihr habt mich nicht das letzte mal gesehen... Habe die Ehre. 



Dienstag, 8. Juli 2014

Vienna Calling - Willi Schlögl zu Gast im Porto Bocho Weinklub

Córdoba,1978, Deutschland spielt als amtierender Weltmeister bei der Fußball WM in Argentinien in der Vorrunde gegen den Underdog Östrreich... und verliert mit 3:2. Die DFB Elf blamiert sich, Edi Finger wird narrisch und die Österreicher jubeln. (Auch wenn sie ebenfalls in der Vorrunde ausscheiden.) Große Fußballgeschichte. Auf jeden Fall Grund genug für zwei Deutsche und zwei Ösis ihre Weinbar in Berlin Mitte passend nach diesem Ereignis zu benennen. Die Cordobar, zur Zeit wohl Deutschlands Hot Spot Nummer 1 in Sachen Wein. Auf deutscher Seite sind Regiseur Jan-Ole Gerster und Musik Lable Boss Christoph Ellinghaus an Bord, für Österreich laufen Sommelier und Gastronom Gehard Retter und Willi Schlögl auf, seinerseits auch Sommelier und quasi Master of Ceremonies in der Cordobar. 



Letzterer ließ sich nicht lange bitten, als der Bochumer Weinklub Porto Bocho anfragte, ob er die Mitglieder nicht durch einen Abend voll Österreichischer Weine führen würde. Im Gegenteil, Willi Schlögl hatte direkt einen Schlachtplan, welcher höchst interessante Wein, viel Schmä und auch Bademäntel beinhalten sollte...



Und dann ist es soweit: In der Gastronomie Haus Linden im gleichnamigen Bochumer Vorort, steht Willi Schlögl im schwarzen Bademantel hinterm Tresen, schenkt Wein ein und gibt Anekdoten zum Besten. Vor dem Tresen sitzen sechzehn Weinjünger, die meisten im weißen Pendant, schwenken, schlürfen und diskutieren über die mitgebrachten Tropfen. 



Vorweg möchte ich sagen das mir wirklich jeder Wein auf irgendeine Weise gefallen hat. Doch ein paar sind mir besonders im Gedächtnis geblieben. So zum Beispiel der 2008er Leitharberg vom Weingut Tinhof. Doch nicht die bekanntere rote Version, sondern eine Cuveé aus 70% Neuburger und 30% Weißburgunder. Im ersten Moment erinnert die Nase mich ein wenig an einen französischen Viognier. Sehr duftig und exotisch, dazu gelbe Blüten. Am Gaumen intensiv, konzentriert und cremig, wirkt aber durch eine präsente Säure und vielleicht durch den Kalkboden auf dem die Reben für diesen Wein wachsen nicht fett. Dazu serviert Koch und Klubmitglied Ralph Curanz Foire Gras mit gebeiztem Thunfisch, Miso und Quittengelee. Auch wenn sich manch einer einen Süßwein dazu gewünscht hätte, harmonierte der Leitharberg sehr gut mit diesem Gericht, vor allem mit den salzigen Komponenten. 



Der nächste Wein, der definitiv meinen Weinhorizont erweitert hat, ist der Rote Traminer "Freyheit" vom Weingut Heinrich in der Nähe des Neusiedlersees. Der Wein fließt in einem hellen Kupferton und trüb ins Glas. Schnell wird klar, dass ist ein so genannter Orange Wine. Der Duft ist schwer zu beschreiben. Animierend, nach Birne, leicht oxidative Noten, etwas Menthol, Rosenwasser, Bergamotte. Sehr komplex das ganze. Am Gaumen dann einem Rotwein nicht unähnlich. Spürbare Gerbstoffe durch längeren Kontakt des Mostes mit den Schalen und Kernen. Das macht den Wein trotz mäßiger Säure und 14,5 % Alkohol animierend frisch. Irre guter Speisenbegleiter. Höchst spannend. 



Mittlerweile schallt Falco aus den Boxen und es gibt Kalbsgulasch von Chef Imre. Dazu fließt literweise Blaufränksich aus Magnumflaschen. Der Bertholdi von Gut Oggau und der Fåsching für den unter anderem Willi Schlögl himself verantwortlich ist, zeigen riesen Potential, brauchen aber noch Zeit und sind noch etwas verschlossen. Sehr offen präsentiert sich der gehobene "Basis" Blaufränksich Atanasius vom Gut Oggau aus dem Anbaugebiet Neusiedlersee-Hügelland. Er duftet herrlich nach Kirschen, Heidelbeere und Holunder. Am Gaumen mit Super Balance zwischen Säure, Frucht und Tannin. Der Wein ist leicht gekühlt und besitzt ein unglaublichen Trinkfluss. Zack ! Glas leer...



Nach Käse und Kracher wurde die Runde auf die Terrasse verlagert, wo bis tief in die Nacht noch einige Rieslinge von Matthias Knebel aufgeknackt wurden. Dieser wurde übrigens an diesem Abend auch ein Klubmitglied von Porto Bocho. Doch ist er nicht der jüngste Zuwachs... Willi hatte soviel Spaß mit uns und wir mit ihm, dass er direkt verhaftet wurde ! Welcome to the Club und Danke für einen großartigen Abend !

Habe die Ehre...