Manchmal, wenn man nicht damit rechnet, kommt es vor, dass man völlig unerwartet einen Wein der Extraklasse erleben darf. Da findet einen der Wein, nicht andersrum. So ist es mir letzte Woche in Hamburg ergangen. Ich war dort um den Abschluss zum IHK Weinfachmann an der deutschen Wein und Sommelier Schule zu machen (Dazu bald mehr). Glücklicherweise habe ich eine Tante in der Hansestadt, welche mich großzügig in ihrem Gästszimmer aufnahm. So konnte ich mir natürlich einiges an Hotelkosten sparen. Eines Abend dann, erzählte ich, wärend wir gemeinsam kochten, euphorisch von Wein und meinem Lehrgang. Als die Beilagen soweit fertig waren und das Entrecote im Ofen abruhte, sagte meine Tante, sichtlich am Thema interessiert, das ihr Mann vor Jahrzehnten einiges an Wein gekauft hätte und ein Teil davon noch im Keller läge. Ich solle doch mal runtergehen und eine Flasche zum Essen raufholen. Also ab in den Keller. Unter dicken Staubschichten kamen alte Rieslinge und Beaujolais aus den 70ern zum Vorschein, die alle schon vor zig Jahren ihren Tod gefunden hatten. Nach einigen Flaschen Rotwein aus dem Rousillion, deren Inhalt schon zur Hälfte verdunstet war, wollte ich die suche schon aufgeben. Doch dann fand ich sie, in der hintersten Ecke: 1969er Clos de Vougeot Grand Cru von Château de la Tour. Die Füllstände waren dem Alter entsprechend gut, der Inhalt klar. Ich nahm eine Flasche mit nach oben und erzählte meinen Gastgebern von meinem Fund und dem ungefähren Wert dieser Burgunder und das ich über die Genießbarkeit des Weines keine Aussage treffen könne. "Ja dann mach ihn doch auf !" war die Antwort.
Und so tranken wir einen über 40 Jahre alten Burgunder, welcher in keiner Sekunde müde oder ausgezehrt wirkte. Transparent und Kirschrot im Glas, mit ins Orange gehender Randaufhellung. In der Nase so verführerisch, das man unweigerlich die Augen schließt. Warmer, erloschener Kamin, Leder, geräucherter Speck aber auch Kirsche, getrocknete Erbeeren und Tannengrün. Intensiv, aber nicht laut. Am Gaumen mit seidigen, milden Tanninen und unglaublicher, vitaler Säure. Hier wird klar, was diesen Grand Vin so lange am leben gehalten hat. Die Aromen setzen sich am Gaumen elegant fort, extrem vielschichtig, harmonisch, dicht und mit einem nicht enden wollendem Finsh ausgestattet. Das ist kein Getränk mehr, sondern eine Lebenserfahrung. Auch meine Gastgeber erkannten sofort, auch ohne viel Weinerfahrung, dass da etwas großes im ihrem Glas war... Danke dafür !
1969 Clos Vougeot, Château de la Tour, Burgund
Alk: ??
Preis: irgendwo zwischen 160 und 300 €
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