Samstag, 1. Juni 2013

Keine Angst vor Restsüße. Bitte.

Das deutscher trockener Weißwein aus Riesling, Sylvaner, Grauburgunder und Co. zur Weltspitze gehört und sich in der Heimat großer Beliebtheit erfreut ist bekannt. Grade im unteren bis mittleren Preisbereich schaffen es die deutschen Winzer frische, schlanke bis üppige Weißweine in sehr hoher Qualität auf die Flasche zu bringen. Vom soliden Altagswein bis zum großen Gewächs. Doch bei aller Euphorie fürs trockene, wird häufig vergessen was deutschen Wein weltberühmt gemacht hat: Restsüßer Wein, allenvorran Riesling, vom Kabinett bis zur Trockenbeerenauslese ! Für Briten und Amerikaner zum Beispiel, ist dies schon lange der Inbegriff für deutschen Wein. Dort haben die Menschen scheinbar keine "Angst" vor Restsüße, sondern importieren jährlich Millionen von Flaschen von Rhein und Mosel. Hier zu Lande scheint es fast eine gesellschaftliche Konvention zu sein trockenen Wein zu trinken,  obwohl viele fasziniert sind, vom Süß-Säure Spiel und der intensiven Aromatik restsüßer Weine dies aber scheinbar nicht zugeben wollen. Dabei können gute fruchtsüße Prädikatsweine so viel: Wenn trockene Weine als Essensbegleiter für scharfe Speisen aufgeben müssen, kann z.B. eine Spätlese eine pikantes Curry oder Wokgericht in ungeahnte Sphären heben. Und das bei sehr moderatem Alkohol Gehalt bei häufig unter 10%. Dazu kommt noch ein enormes Alterungpotential. So kann der Wein, je nach Zuckergehalt, mehrere Dekaden lang Aromen von Honig, Karamell oder getrockneten Früchte dazu entwickeln. 

Das bekannteste Anbaugebiet für Restsüßen Riesling ist sicher die Mosel. Bei kühlen Nächten und warmen Tagen, können die Trauben hier auf wärmespeichernden Schiefersteilhängen hohe Zuckerwerte erreichen, aber auch die so wichtige Säure entwickeln, welche die Süße ausbalanciert und diesen Wein unnachahmlich macht.

Eine Gemeinde an der Mosel, welche über Top Lagen verfügt und Spitzenweingüter beherbergt ist Graach. Und genau daher kommen drei Weine die mir zuletzt viel Freude bereitet haben. Die ersten beiden kommen vom VDP Weingut Willi Schäfer. Beide Weine sind Kabinett Rieslinge aus dem Jahr 2002, haben also schon über 10 Jahre auf dem Buckel. Der erste stammt aus der Lage Graacher Himmelreich und duftet nach Aprikosen, Honig und Ananas. Am Gaumen üppig, mit saftiger Süße und Exotischen Noten von Mango und wieder Reife Ananas. Dezenter Schieferton. Macht richtig Spass.
Die Reben des zweiten Weines stehen in der Lage Graacher Domprobst, welche quasi das Filetstück des Himmelreiches bildet. Hier gibt es sehr alte, teilweise wurzelechte Rieslingstöcke. Dieser Kabinett riecht nach Pfirsich, Aprikose und Apfel. Im Mund deutlich schlanker als sein Vorgänger, frischer, jugendlicher mit kräftiger Mineralität und gradliniger Säure. Unglaublich vielschichtig und komplex. Man möchte nicht aufhören zu trinken...

Der Letzte Wein stammt vom Weingut Phillips Eckstein, ein 3,5 Hektar kleines Weingut in Graach-Schäferei, von sehr alten Rieslingreben, wieder aus der Lage Domprobst. Doch diesmal eine 2006er Auslese***. Diesem Wein stellte ich eine Variation von Erdbeeren & Waldmeister an die Seite und das passte. In der Nase eher dezent nach nassen Steinen und gelbem Steinobst. Doch am Gaumen explodiert der Wein förmlich: frisch und saftig, viel salzige Mineralik, extremer Trinkfluss. Aromen von Zitrusfrüchten und Pfirsich. Wahnsinns Säure, welche die 121g Restzucker perfekt puffern. Langes, kühles, minziges Finish. 

Also wer sowas erleben möchte: Keine Angst vor Restsüße !

Willi Schäfer Riesling Kabinett 2002 Graacher Himmelreich
Alk: 8%
Preis: unter 10 € (damals)
Punkte: 89/100

Willi Schäfer Riesling Kabinett 2002 Graacher Domprobst 
Alk: 8%
Preis: unter 10 € (damals)
Punkte: 91/100

Phillips Eckstein Riesling Auslese*** 2006 "Alte Reben" Graacher Domprobst 
Alk: 9%
Preis: 22€
Punkte: 92/100



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