Donnerstag, 20. Februar 2014

Old Wine Wednesday

Ja so läuft das manchmal... Mittwoch Abend, wenig Geschäft, Küche sauber. Noch ein später Termin mit dem Weinlieferanten meines Vertrauens und der holt erstmal einen gereiften Rheingauer Riesling aus der Tasche, grinst und sagt "Mach mal kalt". Könnte doch noch ein guter Abend werden. 

Der Jahrgang 1997 war im Rheingau eher mittelmäßig, doch ein guter Winzer erzeugt in der einer Toplage auch in solchen Jahren Qualität. Der von Schiefer und Quarzit dominierte Rüdesheimer Berg Schlossberg ist so eine Lage. Ordentlich steil und gut geschützt, saugt der Schlossberg die Sonnenhitze auf, um sie Nachts wieder abzustrahlen. Das mag der Riesling ja bekanntlich. 

Das Weingut Wegeler genießt seit Jahrzehnten einen exzellenten Ruf. Vor allem bekannt für den Geheimrat "J", eine Rieslingcuvee aus den vielen Rheingauer Toplagen des Weingutes. 
Wer mehr über Geschichte und Gegenwart des Weingutes Wegeler  erfahren möchte, der sollte sich die aktuelle Ausgabe des Fine Weinmagazins besorgen... 

Wegeler hat außerdem noch ein Ass im Ärmel um den passionierten Weintrinker glücklich zu machen. Und zwar eine sehr gut gefüllte Schatzkammer, in Form einer klimatisierten Halle, randvoll mit alten Jahrgängen von Mosel (auch da besitzt das Weingut Rebflächen) und Rheingau. Vorbildlich finde ich, dass jede Flasche, welche dieses Lager verlässt, einen Sticker bekommt, welcher vermerkt, wann die Flasche entnommen worden ist. Das schützt den Verbraucher vor vagabundierenden Flaschen, die evtl. bei Oma auf der Heizung standen.



Trotz der guten Lagerung, war das entfernen des Korkens ein echter Kampf, da er bei der ersten Berührung mit dem Korkenzieher quasi explodierte. Doch nachdem ein feines Sieb organisiert war, floss ein strohgelber Wein in die Karaffe. In der Nase kandierte Aprikose, Honig, Mandarine und Apfelkompott. Am Gaumen kommt reife Nektarine und ein bisschen nasse Pappe hinzu. Mit mehr Luft wacht die Säure auch wieder auf. Gute Balance. Langer Nachhall. Doch fehlt es irgendwie an Tiefe. Trotzdem höchst interessant. 89/100



Kurz nachdem die Flasche ausgetrunken war, stand plötzlich ein Berufskollege in der Tür, unterm Arm ein paar verstaubte Flaschen. Kellerfund, sagt er. Müssen wir probieren, sagt er. Naja da widerspricht man nicht. Also Käse auf den Tisch und los. Das erste Experiment, eine 1989er Gewürztraminer Auslese aus der Lage Niersteiner Spiegelberg, schlug leider fehl. Müde, leicht oxidativ, macht kein Spaß. Die nächste Flasche war eine 0,375 l von der Mosel. Genauer ein 1976er Riesling aus der Lage Ürziger Würzgarten vom Weingut Jakob Berres. Auf dem Etikett steht "Auslese", doch wurde mit Kugelschreiber ein "Beeren" davor gesetzt und die APN durchgestrichen. War es der Winzer oder irgend ein Witzbold ? Keine Ahnung... Aber der Wein war eine Granate ! 



Herrliche, klare, orangene Bernstein Farbe. Kurz nach dem öffnen riecht der Wein nach grünen Walnüssen, hellen Kaffeebohnen und Feigen. Mit etwas Luft kommt der Oldie dann richtig in Fahrt: karamellisierte Birnen, Datteln und Vanille Noten steigen einem nun in die Nase. Am Gaumen mit toller Balance von Süße und Säure, dazu getrocknete Zitrusfüchte, etwas Bienenwachs und feiner Schmelz. Der Wein verändert sich im Sekundentakt. Großartig ! 93/100



Die ungeplanten Abende sind doch oft die Besten...



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